Becken und Fuß

Sitzbeinhöcker – Die Fersen Ihres Beckens

Kennen Sie Ihre Sitzbeinhöcker? Wie der Name schon erahnen lässt, sitzen Sie die meiste Zeit darauf. Wenn sie sich auf einen harten Stuhl setzen und mit Ihren Becken nach vorne und hinten schaukeln, spüren Sie die beiden Höcker ganz deutlich.

Im Stehen befinden sich Ihre Sitzbeinhöcker auf der Hinterseite Ihres Oberschenkels.
Können Sie sie ertasten? Sie fühlen sie etwa auf der Höhe der unteren Gesäßfalte, eher weit innen.

Sitzbeinhoecker

Position der Sitzbeinhöcker

Ihre Sitzbeinhöcker dienen nicht nur dem Sitzen, sondern sind auch Anker und Ursprungspunkt der Kniebeuger, der sogenannten ischiocruralen Muskulatur auf der Rückseite Ihres Oberschenkels. Diese Muskulatur steht in enger Verbindung mit der Wadenmuskulatur. Die beiden Muskelgruppen bilden zusammen die Kniekehle und müssen gut aufeinander abgestimmt sein. Die Zwillingsmuskeln der Wade starten schon am unteren Ende des Oberschenkels und münden zur Ferse hin in die Achillessehne. Somit stehen Ihre Sitzbeinhöcker und Ihre Fersen durch starke Muskeln in unmittelbarer Verbindung!

Zudem sehen sich Sitzbeinhöcker und Fersen in ihrer Struktur auch sehr ähnlich. Darum nenne ich die Sitzbeinhöcker gerne „die Fersen des Beckens“.

Becken und Fuß

Sitzbeinhöcker und Ferse

Auf dieser Abbildung sehen Sie den rechten Fuß und die rechte Beckenhälfte von hinten fotografiert. Die „Tropfen Form“, hier schwarz umrandet, findet man sowohl am Sitzbeinhöcker als auch am Fersenbein.

Sehen Sie die Ähnlichkeit?

Becken und Fuß

Becken und Fuß

Das Zusammenspiel Ihrer Sitzbeinhöcker und Ihrer Fersen

Die Fersen Ihres Fußes benötigen Sie zum Gehen.
Mit Ihren Sitzbeinhöckern können sie jedoch auch gehen!

Dazu eine Übung: Setzen Sie sich auf dem Boden und strecken Sie Ihre Beine nach vorne aus („Langsitz“). Vielleicht lassen sich Ihre Knie in dieser Position nicht ganz strecken, das macht aber nichts. Wichtig ist, dass Sie Ihre Sitzbeinhöcker gut spüren können. Wenn Sie sich nun in Blickrichtung fortbewegen möchten, heben Sie einen Sitzbeinhöcker an und bewegen Sie ihn nach vorne. Das geschieht in einer kleinen Kreisbewegung, die sie abwechselnd links und rechts ausführen. Die Fersen Ihres Beckens machen nun sozusagen kleine Schritte.

Wenn Sie gehen oder laufen, sollte Ihr Becken im Grunde genommen dieselbe Bewegung machen. Ihre Sitzbeinhöcker machen Schritte im Kleinen, Ihre Füße machen Schritte im Großen.
Ihre Sitzbeinhöcker begleiten die Fersen Ihrer Füße überall hin, egal ob Ihr Fuß in der Standbein-Phase am Boden steht, sich nach hinten abdrückt oder ob er in der Spielbeinphase nach vorne geht.

Standbein und Spielbein

Standbein und Spielbein

Wichtig ist, dass sich Ihre Sitzbeinhöcker mit den Fersen gleichsinnig und gleichzeitig bewegen. Ähnlich wie bei einer modernen Pendeluhr: Der kleine Motor ganz oben am Pendel bewegt sich nur ganz wenig hin und her (Impulsgeber). Das Pendel unten bewegt sich jedoch stark hin und her. Motor wie Pendel machen dieselbe Bewegung zur gleichen Zeit, unterscheiden sich nur in der Größe der Bewegung. Durch die Einigkeit in Richtung und Zeit verbrauchen Motor und Pendel sehr wenig Energie und unterstützen sich gegenseitig dabei, Kraft zu sparen. Wäre dieser Rhythmus gestört, käme es zum Kraftakt sowohl für den Motor als auch für das Pendel.

Beim Gehen ist es nicht anders: Ihr Becken ist wie der kleine Motor der Pendeluhr. Es setzt die Impulse für das Gehen, bringt Ihre Füße in Schwung und verleiht Ihnen auch einen guten Abdruck.
Auch wenn Ihr Sitzbeinhöcker weit von Fuß entfernt ist, lernen Sie ihn als engen Partner Ihrer Ferse kennen. Er begleitet Ihren Fuß!

Dazu eine Übung: Versuchen Sie beim Gehen am hinteren Fuß aus Ihrem Sitzbeinhöcker heraus Kraft in Richtung Ihrer Ferse aufzubauen. Die Verbindung zwischen Sitzbeinhöcker und Ferse ist vor dem Moment des Abdrucks am unmittelbarsten, da sich Ihr Knie und Ihr Hüftgelenk in der vollen Streckung befinden und Ihr Oberschenkel zum Unterschenkel eine Linie bildet.

Kraft Richtung Ferse

Der Kraftübertragung steht nichts mehr im Wege. Sitzbeinhöcker und Fersen stabilisieren sich gegenseitig und verhindern somit ein Kippeln des Fußes.

Wenn die Fersen kippeln und wackeln…

Instabile Fersen, vor allem kurz vor dem Abdruck sind Ursache vieler Fußbeschwerden.
Die zur „Großzehen-Seite“ kippende Ferse fördert unter anderem den Knick-Senk-Spreizfuß und belastet das Großzehengrundgelenk im Abdruck enorm. Die nach innen knickende Ferse dreht sozusagen den ganzen Fuß mit nach innen, und lenkt alles Körpergewicht zur großen Zehe hin. Physiologisch günstig sollte das Abdrücken aber über alle fünf Zehenballen stattfinden.
Über längere Zeit kann sich aus der Überbelastung des Großzehengrundgelenks ein Hallux valgus oder Hallux rigidus bilden.

Wenn die Ferse nach innen kippt, liegt der Gedanke nahe, dass der Fuß gekräftigt werden muss, mittels spezieller Übungen und Stabilitätstraining. In den meisten Fällen liegt es jedoch gar nicht am Fuß, dass er nach innen kippt: Wie oben beschrieben sind die Fersen sehr davon abhängig, was die „Fersen Ihres Beckens“ eine Etage höher machen, also Ihre Sitzbeinhöcker. Wenn die Fersen Ihres Beckens beim Gehen zur Seite hin weg kippen, dann überträgt sich dieses Kippen auf die Fersen ihrer Füße.

Ihr Becken, der Motor der Pendeluhr, fängt beim Gehen an zu „eiern“ und es entstehen Scherkräfte. Wenn der Motor „eiert“ bleibt er nicht mehr in seinem eigenen Raum, sondern bricht aus. Er fängt an sich in einer zusätzlichen Dimension zu bewegen, die die Drehachsen aus Ihrer Zentrierung nehmen. Das Pendel unten kann dem nicht folgen, es wird instabil in seiner Kraft und verliert seine Richtung. Der Fuß knickt ein.
Eine gute Stabilität des Fußes beginnt also mit einer klar nach vorne gerichteten Bewegung des Beckens.

Übrigens: Die zur Seite hin kippende Beckenbewegung nennen wir in der Physiotherapie „Becken-Shift“. Lesen Sie dazu mehr in meinem nächsten Blog-Beitrag.

Ihr Shinya Morita
Physiotherapeut in der Fuß-Schule München