Das Tibialis posterior Syndrom
Damit Sie die Entwicklung eines Tibialis posterior Syndroms verstehen, erkläre ich Ihnen zu Beginn die beteiligten anatomischen Strukturen und ihre Funktion. Dann werde ich Sie mit dem Beschwerdebild und seinen Auswirkungen vertraut machen. Im Anschluss beschreibe ich Ihnen das Behandlungskonzept der Fuß-Schule München in physiotherapeutischer Einzeltherapie. Die Gangschulung, das Anwenden von elastischen Tapes und die Unterstützung des Rückfußes durch Einlagen in entzündungsfreien Phasen sind dabei die wichtigsten konservativen Maßnahmen.
Die anatomische Struktur
Der Musculus Tibialis posterior entspringt auf der Rückseite von Schien- (Tibia = Schienbein) und Wadenbein und der die beiden Knochen verbindenden Membran in einer tiefgelegenen Muskel- und Bindegewebsschicht des Unterschenkels. Er umschlingt mit seiner Sehne den Innenknöchel und ist am Kahnbein und an den ersten zwei Keilbeinen befestigt. Im Bild können Sie die erwähnten knöchernen Strukturen am Fuß von der Seite sehen. Im unteren Bild habe ich Ihnen die Situation des Sehnenverlaufs eingezeichnet.
Die Knochen des Fußes. Blick von der Innenseite.
Der Blick auf den Muskel und seinen Sehnenansatz am Fuß und dem Sehnenverlauf unterhalb des Innenknöchels.
Die Funktion des Musculus Tibialis posterior und seiner Sehne
Der Muskel ist in einer langen Kette von Muskeln und Sehnen des ganzen Beins und des Beckens für die Stabilisierung der Ferse vor allem in der Abdruckphase bei angehobener Ferse verantwortlich. Durch den Verlauf der Sehne unterhalb des Innenknöchels verhindert er eine Innenkippung.
Das Beschwerdebild
Schmerzen entstehen auf der Innenseite des Fußes im Verlauf der Sehne an den Knochenansätzen. Oft werden degenerative Veränderung der Sehne bei einem MRT diagnostiziert. Durch die chronische Überlastung nimmt die Zugstärke durch eine Verminderung der kollagenen (zugstabilen) Fasern der Sehne ab. Es zeigt sich dann eine vermehrte Flüssigkeitsansammlung, ein Ödem und eine diffuse Faserung der Sehnenanteile.
Die häufigste Ursache für ein Tibialis posterior Syndrom – die ungünstige Belastung des Fußes
Aus biomechanischer Sicht ist die häufigste Ursache für die Entstehung des Tibialis posterior Syndroms das Einknicken der Ferse in der Stand- und Abdruckphase und ein später Abdruckpunkt des Fußes vom Boden, gekennzeichnet durch ein hohes Anheben der Ferse. Betroffen sind deshalb meist Menschen mit einem Knick-Senk-Spreizfuß. Die Außendrehung von Fuß und Unterschenkel aus der Gangachse zur Seite verstärkt die starke Innenbelastung. Beachten Sie dabei, dass die Reaktion von Fuß und Bein ihre Ursache in einer ungünstigen Schwerpunktverlagerung des Beckens hat. Dies ähnelt auch der Entstehung eines Hallux valgus. Deshalb sind bei einem Tibialis posterior Syndrom oft multiple Veränderungen und Beschwerdebilder des Fußes zu erkennen. Sie werden im Abschnitt „Die Behandlung des Tibialis posterior Syndroms in der Fuß-Schule“ mehr dazu erfahren.
Im Bild die große Belastung der Innenseite des hinteren Fußes durch das Einknicken der Ferse vor der Ablösung bei gleichzeitiger Außendrehung des Fußes und späten Ablösen des Fußes vom Boden.
Welche Beschwerden entstehen?
Verspannte Muskulatur und Schmerzen
Durch die ungünstige Belastung des Fußes wird die Tibialis posterior Sehne chronisch gedehnt. Der Muskel verspannt sich langfristig. Die Sehne kann beim gleichzeitigen Tragen von Einlagen von unten ebenfalls Druck erhalten und dann in ihrem Verlauf auf der Innenseite des Rückfußes schmerzen. Das Tragen von Einlagen ist dabei nicht ursächlich für den Schmerz, aber ohne eine Gangschulung ist dieses Hilfsmittel nicht effizient oder bei akuten Entzündungen der Sehne sogar schädlich. Der gesamte Unterschenkel ist von der starken Überlastung durch das Einknicken der Ferse muskulär verspannt. Dies kann in der Folge auch zu venösen Beschwerden führen, da die Muskelvenenpumpe der tiefen Beinvenen aufgrund der Verspannung der Muskulatur vermindert ist.
Das Behandlungsangebot der Fuß-Schule München
Die Gangschulung in der Fuß-Schule München
Wir erarbeiten mit unseren Patienten als Erstes die Stabilisierung des Fußes durch eine bessere Schwerpunktverlagerung des Körpers im Kreuzgang (kontralateraler Gang). Dies ist Voraussetzung für die Stabilisierung des Fußes, die ein Einknicken der Ferse verhindert.
Die besondere Rolle der stabilisierenden Hüftgelenksmuskulatur
Entscheidend ist dafür die Umwandlung der energiereichen Druck- und Stoßwelle, die beim Auftreten des Fußes auf den Boden entsteht, durch das Hüftgelenk. Auf der Standbeinseite dreht das Becken idealerweise zurück und nicht zur Seite. Dadurch wird die Beckenseite des Spielbeins nach vorn gedreht und ein Teil der Bremsenergie in Schwung für die andere Körperseite verwandelt. Das Becken dient als Dreh- und Schwungpendel zwischen beiden Beinen. Das Bein und Ihr Fuß kann dadurch geradeaus in Gehrichtung zeigen. Der nach innen zur Mitte zwischen beiden Beinen wirkende Drehmoment des auf einem Bein stehenden, sich nach vorne bewegenden Körpers und der Drehmoment des sich nach hinten außen drehenden Beckens der Standbeinseite gleichen sich aus. Dafür benötigen Sie eine effiziente Muskulatur an der Außen- und Rückseite Ihres Beckens. Diese wird durch Übungen trainiert. Der wichtigste Schritt ist dann die Integration in Ihren Gang. Merke: Bewegt sich das Becken bei jedem Schritt auf dem landenden Standbein ungünstig zur Seite knickt der Fuß auf der Innenseite des abdrückenden Fußes ein. Neben vielen anderen Krankheitsbildern kann dadurch in der Folge ein Tibialis posterior Syndrom entstehen.
In diesen beiden Bildern sehen Sie eine anatomisch günstige Belastung des Fußgewölbes durch die gegensinnige Verwindung von Becken und Brustkorb im Kreuzgang. Die Seiten des Körpers von Achsel bis Ferse sind trotz der Schwerpunktverlagerung von einem auf den anderen Fuß beim Gehen stabil. Es entstehen nur geringe Seitbewegungen des Körpers.
Die Übungen bei einem Tibialis posterior Syndrom
Die hier vorgeschlagene Übung unter Belastung des Fußes ist nur in einem entzündungsfreien Stadium sinnvoll. Diese Übung wendet sich vor allem an Ihre Koordinationsfähigkeit beim Gehen. Die Achtsamkeit für die Ausrichtung der Ferse und des Knies und die Bewegungsrichtungen des Beckens ist für einen dauerhaften Erfolg entscheidend. Nur durch eine sinnvolle Schwerpunktverlagerung des Beckens ist es möglich die Ferse in der Standbeinphase zu stabilisieren und das Einknicken zu vermeiden.
Von der Schrittstellung in den Einbeinstand
Üben Sie jetzt bitte ausgehend von der Schrittstellung (beide Füße geradeaus) in Zeitlupe die Belastung des ganzen Fußes bei gleichzeitiger weicher Streckung des Kniegelenkes bis Sie in den Einbeinstand gelangen.
In den Bildern sehen Sie die Ausgangsstellung und die folgende Endstellung. Ihre Ferse darf bei der Ausführung nicht nach innen kippen. Entscheidend ist die Kraft der Hüftgelenksmuskulatur Ihrer Standbeinseite. Beachten Sie dafür den Verlauf des roten Gürtels auf der Spielbeinseite nach vorne oben. Die Standbeinseite sollte am Ende der Bewegungssequenz auf der Außenseite Ihres Körpers eine durchgängige Linie bilden.
Drehen Sie auf der angehobenen Beinseite das Becken mit dem gebeugten Knie des Spielbeins nach vorne. Dadurch verhindern Sie die Innenkippung Ihrer Ferse auf der Standbeinseite. Beginnen Sie immer wieder auf der gleichen Seite von vorne und wiederholen Sie diese Sequenz bis Sie spielerisch und ohne großen Kraftaufwand die Aufgabe bewältigen. Dann wechseln Sie zur anderen Seite. Sie trainieren damit die stabilisierende Muskulatur auf der Außen- und Rückseite Ihres Beckens. Sollte bei dieser Übung Ihre Ferse trotz aller Bemühungen nach innen kippen, ist diese Übung für Sie nicht geeignet.
Die Integration der Übung ins Gehen
Um anschließend die Stabilität des Standbeines im Gehen und damit im Bewegungsfluss zu üben, ist am Anfang eine Treppe die beste Übungsmöglichkeit. Sie erfordert durch das verstärkte Hochsteigen eine größere Aktivierung der stabilisierenden Beckenmuskulatur. Achten Sie auch dabei auf hüftgelenksbreites Aufsetzen des Fußes und die genaue Ausrichtung Ihrer Knie.
Nach der Treppe gehen Sie wieder mit Achtsamkeit spazieren. Spüren Sie der Stabilität des Standbeins durch die Drehpendelbewegung des Beckens zwischen dem in schneller Folge wechselnden Stand- und Spielbein nach.
Hilfsmittel Einlage
Eine Einlage kann Ihnen in einem entzündungsfreien Zustand helfen. Ich empfehle in diesem Fall besonders eine Jurtin®Einlage, da sie nicht wie klassische Einlagen auf den schmerzenden Bereich drücken. Sie stabilisieren stattdessen den Rückfuß durch eine Abstützung der Ferse mittels einer unter der Einlage angebrachten Plastikschale.
Hilfsmittel Bandage
Besonders die Helix S Spiraldynamik® USG-Bandage der Firma Bort gibt Ihrem Rückfuß mitsamt der Ferse eine starke Unterstützung. Die an der Bandage angebrachten Zügel sind für die Aufrichtung der Ferse entscheidend. Diese Bandage stellt eine ideale Ergänzung zu orthopädischen Schuheinlagen dar und kann auch ohne Schuhe im häuslichen Umfeld getragen werden.
Hilfsmittel Taping
Ein elastisches Tape ist ebenfalls sehr gut zur Stabilisierung des Rückfußes geeignet. Sie werden für das Anbringen des Tapes in der Einzeltherapie der Fuß-Schule geschult.
Ich hoffe ich konnte Ihnen in meinem Artikel Möglichkeiten zur erfolgreichen Behandlung eines Tibialis posterior Syndroms näherbringen.
Ich würde mich freuen Sie für weitere Tipps und Ratschläge in der Einzeltherapie oder in unseren Workshops in der Fuß-Schule München begrüßen zu dürfen.
Herzlichst,
Ihr Thomas Rogall
Hinweis
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