Das Morton Neurom (oder Morton Neuralgie)

Das Beschwerdebild des Morton Neuroms, das auch als Morton Neuralgie oder (englisch) „Morton’s neuroma“ bezeichnet wird, ist ein immer häufiger diagnostiziertes Krankheitsbild. Deshalb möchte ich Sie in diesem Artikel über die Hintergründe der Entstehung, die Möglichkeit eines eigenen Erstbefundes und die physiotherapeutische Behandlung in der Fuß-Schule München informieren. Sie können sich auch auf unserem YouTube Kanal ein paar Clips zum Thema anschauen. Einige davon sind auch direkt in diesen Artikel integriert.

Was ist ein Morton Neurom / eine Morton Neuralgie?

Das Morton Neurom bezeichnet eine kompressionsbedingte Schwellung der bindegewebigen Schutzhülle der Nervenköpfchen zwischen den Enden der Mittelfußknochen. Es kann bei Belastung im Gehen plötzlich auftretende stark brennende oder stechende Schmerzen im Ballenbereich verursachen.

Morton Neurom und Nevenbahnen

In der Farbe Rot sehen Sie das Morton Neurom als bindegewebige Quellung zwischen den Mittelfußknochen im Übergang zu den Zehen (Ballen). Bei einer Reizung des Nervengewebes (gelb) können sich im gesamten Versorgungsgebiet des Nervs brennende oder stechende Mittelfußschmerzen zeigen. Ein Morton Neurom kann zwischen allen Zehenstrahlen vorkommen. In dieser Beispielskizze sehen Sie die häufigste Position zwischen dem 2. und 3. Mittelfußknochen.

Wie entsteht ein Morton Neurom (Morton Neuralgie)?

Kurz gesagt: Durch eine dauerhafte erhöhte Druckbelastung der Nerven beim Gehen und Laufen. Ursache ist die Spreizung der fünf Mittelfußknochen die durch Überdehnung von Haltebändern und Faszien im Bereich des Ballens hervorgerufen wird. Die Spreizung des Vorfußes wird wiederum durch die Instabilität der Ferse in der Standbein- und Abdruckphase ausgelöst. Wackelt der Fuß bei jedem Schritt wird die physiologische Federbogenspannung des Vor- und Mittelfußes durch Scherkräfte dauerhaft geschädigt und überdehnt. Durch die Entwicklung eines muskulären Ungleichgewichts zwischen der kurzen gewölbeerhaltenden Muskulatur der Fußsohle und den langen Streckmuskeln der Oberseite des Fußes wird der Spreizung ebenfalls bei jedem Schritt Vorschub geleistet. Damit Sie hierfür ein Verständnis entwickeln können, möchte ich Ihnen – vor der Darstellung des Behandlungsansatzes der Fuß-Schule München – als Erstes die wichtigsten Grundlagen der Fußanatomie und der Biomechanik bei der Belastung des Fußes beschreiben.

Die Kraft des Fußes

Die Kraft des Fußes besteht aus der Anordnung seiner Strukturen. Durch die Vielzahl seiner knöchernen Gelenkpartner ist der Fuß elastisch und bei unebenen Böden anpassungsfähig. Die gelenkbildenden Knochen sind dabei in einer dreidimensionalen spiraligen Drehung des Rückfußes mit der Ferse um 90 Grad in die Senkrechte im Vergleich zum waagerecht stehenden Vorfußballenangeordnet. (Denken Sie an ein ausgewrungenes Handtuch.) Das dadurch entstehende Gewölbe kann hohe Kräfte mit minimalem Aufwand tragen.

Fuß-Gewölbe

Die Ferse ist gegenüber dem Vorfuß um 90 Grad gedreht: Ein Gewölbe entsteht.

Die Funktion von Bändern und Faszien für den Halt des Fußgewölbes

Die Stabilisierung der Knochen in diesem gleichzeitig flexiblen und stabilen System wird durch Bindegewebe (Gelenkkapseln, Bänder, Sehnen und Faszien) und kleine Muskeln gewährleistet. Dies gibt den 28 Knochen des Fußes mit seinen 33 Gelenken straffen Halt. Die größte und kräftigste Bindegewebsstruktur bildet die Plantaraponeurose (Plantarfaszie). Sie verläuft in längs und quer Richtung und kleidet die gesamte Fußsohle aus. An ihr wird besonders deutlich, wenn bei der Belastung des Fußes in Stand- und Abdruckphase beim Gehen etwas im wahrsten Sinne des Wortes „schief“ läuft.

Plantaraponeurose

Sie sehen von unten in grau die Plantaraponeurose (Plantarfaszie) und die federartige Konstruktion des Vorfußballens mit den 5 stabilisierenden Zehen. Dort verlaufen auch muskuläre und bindegewebige Querverbindungen.

Der Fuß kann beim Aufsetzen den Druck des Körpergewichtes durch das Absinken des Fußgewölbes in Zug umwandeln. Der Fuß wird unter Belastung länger und breiter, der Gewölbebogen sinkt ab, bei Entlastung wird der Fuß kürzer und schmäler, die Höhe des Gewölbebogens nimmt zu. Viele Bänder und kleine Muskeln stabilisieren zusätzlich die Bogen-Sehnenkonstruktion. Voraussetzung für die Wirksamkeit ist die Anordnung und Stabilität der knöchernen Haltepunkte. Findet eine Spreizung der Mittelfußknochen statt, verlieren Bänder und Faszien ihre Funktion für den federnden Spannungsbogen von Mittel- und Vorfuß. Dies kann den Vorlauf zur Entstehung eines Morton Neuroms bilden.

Plantarfaszie

Die Plantaraponeurose (Plantarfaszie) verbindet das Fersenbein mit allen fünf Fußstrahlen. Sie besteht zum größten Teil aus straffem Bindegewebe mit einer 10% Dehnungsfähigkeit unter Belastung.

Mittel- und Vorfuß

Der breite Mittel- und Vorfuß dient als elastische Sprungfeder beim Abdruck des Fußes vom Boden. Die Ferse ist das „Steuerruder“ für eine ausgewogene Belastung aller fünf Mittelfußstrahlen mit ihren Zehen.

Kippung der Ferse durch Instabilität des Beckens

Durch eine ungünstige seitliche Schwerpunktverlagerung des Beckens oder des ganzen Körpers über dem Fuß beim Gehen, entsteht eine Instabilität der Ferse bei Belastung in der Stand- und Abdruckphase. Die Ferse kippt zuerst nach außen und dann nach innen. Hohe Scherkräfte sorgen dann für eine zunehmende Spreizung der Mittelfußknochen. Die Beinachse ist meist zusätzlich mit Fuß und/oder Knie aus der Gehrichtung gedreht. In den folgenden Bildern sehen Sie eine ungünstige Schwerpunktverlagerung mit langfristigen Folgen für den Fuß und die Spannkraft der vielen kleinen Bändern, Muskeln und Sehnen des Ballenbereichs.

Instabilität des Beckens

Innenkippung Detail

Bild 1 und 2: Innenkippung der Ferse durch ein seitlich instabiles Becken und ein in der Folge nach innen drehendes Knie in der letzten Stand- und in der Abdruckphase beim Gehen. Der Fuß wird nicht achsengerecht belastet.

Kippung der Ferse durch schwankenden Körper

Ein schwankender Körper über dem Fuß führt zu einer starken Anspannung der rückseitigen Muskulatur des Beckens und der Beine und zu einer nach außen gedrehte Bein- und Fußachse. Dadurch wird der Fuß ebenfalls nicht mehr in Gehrichtung belastet und die Wahrscheinlichkeit einer nach innen drehenden und kippenden Ferse im Moment des Abdrucks und der Beschleunigung des Fußes nimmt zu.

Schwankender Körper

Schwankender Körper über dem Fuß: Fehlbelastung des Fußes ist die Folge

Der späte Abdruckpunkt

Zusätzlich zur Instabilität der Körpermitte erfolgt oft ein hohes Anheben der Ferse in der Abdruckphase. Dies führt ebenfalls zu einer verstärkten Belastung und Spreizung des Ballens. Dies häufig auftretende Phänomen wird durch die mangelnde Dehn- und Streckfähigkeit des Beins in Hüft-, Knie- und oberen Sprunggelenk ausgelöst, eine Folge der Verkürzungen oder Überdehnungen der Muskulatur und des Bindegewebes des Hüftgelenks aufgrund der ungünstigen Koordination des Körpers über dem Fuß.

Das Hochziehen der Zehen

Die Spreizung der Mittelfußknochen durch das Hochziehen der Zehen während der Schwungbeinphase und dem ersten Kontakt der Ferse auf dem Boden spielt durch die andauernde wiederholte Dehnung der Mittelfußstrahlen ebenfalls eine zentrale Rolle bei der Überlastung und Entstehung eines Morton Neuroms. Eine große Schrittlänge nach vorne ist der Auslöser. Dieser lange Schritt nach vorne ist die Antwort des Nervensystems auf die Verkürzungen von Bindegewebe und Muskulatur des Beins.

Hochziehen der Zehen

Die Landung auf dem hinteren Anteil der Ferse mit durchgestrecktem Kniegelenk und das Hochziehen der Zehen

Der Eigenbefund

Setzen Sie sich auf den Boden und drücken Sie mit Daumen und Zeigefinger von unten und oben im schmerzenden Bereich zwischen den Mittelfußknochenenden. Können Sie dort eine erbsenartige Struktur ertasten, die bei erhöhtem Druck schmerzhaft ist, könnte dies ein Morton Neurom sein.

Videoclip zum Eigenbefund: Tasten Sie mit dem Spitzfingergriff zwischen Ihren Mittelfußknochen

Die genaue Größe und damit eine Prognose für die Heilung durch eine von uns in der Folge dargestellte konservative Therapie können Sie bei einem Arzt mittels eines MRTs herausfinden. Es gibt dazu folgende Erfahrungswerte.: Bei eine Querdurchmesser bis 0,8 cm ist ein Morton Neurom gut konservativ therapierbar, von 0,8 bis 1,2 cm wird es schwierig, danach sehr schwierig und oft ist dann tatsächlich eine Operation nach erfolgloser dreimonatiger konservativer Therapie sinnvoll. Übrigens: Ein Querdurchmesser von kleiner als 5 mm wird oft (ca. 30 %) auch bei asymptomatischen Personen gefunden.

Die Behandlung des Morton Neuroms in der Fuß-Schule München

Die symptomatische Behandlung des Morton Neuroms in der Fuß-Schule München umfasst die Beratung zu Einlagen und Schuhen, zu weiteren Hilfsmitteln, wie dem Anbringen eines elastischen Tapes oder kurzen intermittierenden Eisbehandlungen. Die ursächliche Behandlung beinhaltet Übungen für den Fuß und eine Anleitung zum Gehen. Das Vorfußquergewölbe muss aktiviert werden, um langfristig seine Spannung wiederzugewinnen. Dies gilt auch nach einem chirurgischen Eingriff, da eine OP lediglich in der Lage ist, die Schmerzsymptomatik zu verbessern. Das Problem des Spreizfußes und die Ursachen seiner Entstehung können nur durch konservative Maßnahmen, durch eine veränderte Koordination von Fuß und Körper bei der Belastung im Gehen verbessert werden.

Elastisches Taping

Das elastische Taping ist ein einfaches und meist sehr erfolgreiches Mittel Schmerzen bei einer Morton Neuralgie zu verringern oder ganz zu beseitigen. Der Spreizung des Fußes aufgrund der überdehnten bindegewebigen und muskulären Strukturen kann durch ein elastisches Tape bei der Belastung des Fußes beim Gehen und Stehen Einhalt geboten werden.

Vorfuss-Taping Ansicht oben

Vorfuss-Taping Ansicht unten

Das elastische Tape dient als aufgeklebter Ersatz der elastischen Haltestrukturen des Quergewölbes. Entscheidend ist dabei der straffe Zug der Ihnen durch unsere erfahrenen Therapeuten beim Taping beigebracht wird.

Videoclip zum elastischen Taping des Vorfußes

Übungen gegen die Spreizung des Vorfußes

Der Bogen

Stellen Sie Ihren Fuß auf die Ferse und greifen Sie die Fußaußenränder. Formen Sie sanft einen Bogen. Versuchen Sie, langsam mit der Kraft Ihrer Hände nachzulassen. Ihr Ziel ist diese Stellung ohne Hände mit der Kraft der Fußmuskeln zu halten. Versuchen Sie während der Formung des Bogens Ihre Zehen unablässig in die Länge zu strecken und nicht zum Fußrücken anzuheben. Dies würde wieder zu einer Spreizung führen. Sie können sich zum Vergleich auch am Gewölbe Ihrer Hand orientieren. Am Anfang können Sie zur Unterstützung des Gewölbes, wie im Bild gezeigt, einen weichen Ball unterlegen.

Übung mit Igelball

Übung mit weichem Igelball

Wenn Ihnen die erste Übung mit angehobenen Vorfuß gelingt, drücken Sie jetzt bei auf dem Boden aufliegenden Fuß sanft von oben nach unten innen auf das Ende Ihres I. und V. Mittelfußknochens. Achten Sie besonders auf die gestreckte Auflage Ihrer Zehen. Üben Sie mit den Zehenbeeren 5- 6 Sekunden einen sanften Druck auf den Boden aus. Alle Zehen bleiben bei der leichten und sanften Erhöhung des Druckes gestreckt und lang. Auch der dazugehörige Kleinzehen- und Großzehenballen bleibt auf dem Boden aufliegend. Der Bogen im Mittel- und Vorfußbereich ist vielleicht kaum sichtbar, aber deutlich als Entlastung der Mitte des Vorfußballens spürbar. Lassen Sie für 2 Sekunden wieder los, bevor Sie es von Neuen probieren. Das erfordert sehr viel Feingefühl und Sie werden vielleicht am Anfang durch zu viel Kraftanstrengung Ihren Großzehenballen vom Boden anheben oder die Zehen im Boden einkrallen. Üben Sie deshalb langsam und genau!

Bogen

Formen Sie einen Bogen

Wenn Sie die bisher beschriebene Übung gut beherrschen, versuchen Sie folgendes:
Rollen Sie Ihren übenden Fuß über die Ferse mit dem Fußrücken zu sich. Der Fußrücken mit den locker gestreckten Zehen zeigt Richtung Schienbein. Ziehen Sie dabei nicht die Zehen hoch, sondern versuchen Sie das Quergewölbe Ihres Vorfußballens zu aktivieren. Der erste und der fünfte Mittelfußknochen rollen sich entgegengesetzt ein. Die Zehen sind in Verlängerung Ihres Fußrückens gestreckt. Auf dem Rückweg zum Boden bleiben die Zehen locker gestreckt und gefächert. Der kleine Zeh setzt als erstes auf dem Boden auf. Dann von außen nach innen einen Zehen nach dem anderen locker gestreckt auf den Boden ablegen. Beginnen Sie wieder von vorn.

Bogenübung Bogenübung

Sollten Sie beim Hochrollen des Fußrückens immer als Erstes die Zehen hochziehen, wiederholen Sie bitte zunächst die vorhergehenden Übungen zum Aufbau des Quergewölbes und üben Sie dann erst den Moment des Anhebens der Fußsohle vom Boden.

Die Wahl eines günstigen Abdruckpunktes

Jetzt stellen Sie sich in Schrittstellung. Beide Füße zeigen geradeaus Im Moment des Abdrucks des hinteren Fußes vom Boden ist ein möglichst früher Zeitpunkt entscheidend. Je höher die Ferse angehoben wird desto mehr Druck wird auf den Ballen ausgeübt. Durch einen frühen Abdruck können die Zehen zur Stabilisation und Druckentlastung des Ballens verwendet werden. Deshalb versuchen Sie jetzt die Aktivierung der Bogenspannung des Vorfußballens, die Sie zuvor in den Fußübungen eingeübt haben, in Zeitlupe in den frühen Abdruckmoment zu integrieren.

Abdruckpunkt mit Bogenspannung

Früher Abdruckmoment mit Bogenspannung

Die langfristige Veränderung Ihres Ganges

Langfristig erarbeiten wir mit Ihnen die Stabilisierung der Ferse durch eine bessere Schwerpunktverlagerung des Körpers im Kreuzgang (Kontralateraler Gang) und eine günstigere Haltung des Körpers über dem belasteten Fuß. Die Aktivierung der Zehenbeeren und der Aufbau des Quergewölbes im Moment des Abdruckes sind wie in den vorher beschriebenen Übungen weitere Ziele, um die Druckbelastung des Morton Neuroms zu verringern.

Verschraubung Kreuzgang

In diesen beiden Bildern sehen Sie eine anatomisch günstige Belastung des Fußgewölbes durch die gegensinnige Verschraubung von Becken und Brustkorb im Kreuzgang. Die Seiten des Körpers von Achsel bis Ferse sind trotz der Schwerpunktverlagerung von einem auf den anderen Fuß beim Gehen stabil. Es entstehen nur geringe Seitbewegungen des Körpers. Fuß und Knie können dadurch geradeaus zeigen. Die Scherkräfte an der Fußsohle sind vermindert.

Im folgenden Filmclip haben wir die wichtigsten Themen rund um das Morton Neurom für Sie zusammengefasst:

Fazit

Sie haben die Möglichkeit die durch ein Morton Neurom ausgelösten Schmerzen besonders mit Hilfe der physiotherapeutischen Einzelbehandlung in den Griff zu bekommen. Aber auch der Besuch unserer Kurse oder unserer Trainingsgruppe in der Fuß-Schule München wird Sie beim Erlernen des Tapings, der Übungen für den Fuß und deren Integration in Ihr Gangbild, unterstützen. Am besten tun Sie dies beizeiten vor einer OP, aber auch danach gilt es, einer weiteren Spreizung des Fußes Einhalt zu gebieten.

Mit herzlichen Grüßen

Thomas Rogall
Leiter der Fuß-Schule München, Physiotherapeut und Fachbuchautor