Wie alles begann

Die Entwicklung Ihrer Fähigkeit zum aufrechten Gang fing im Bauch Ihrer Mutter an. Drei Monate nach Ihrer Zeugung besaßen Sie alle körperlichen Strukturen, ein Nervensystem zur Steuerung und Wahrnehmung und den dazugehörigen Stoffwechsel aller Zellen und Organe. Sie rollten und drehten sich, schlugen Purzelbäume, begriffen Ihren Körper und Ihre Umgebung mit Händen und Füßen. Die Bewegung ließ Ihr Gehirn Erfahrungen sammeln und lernen. Die in der Bewegung wirkenden Kräfte formten Ihren Körper. Sie konnten außerdem auf Ihr ererbtes genetisches Wissen bauen.
Sie genossen die wunderbare Leichtigkeit des Körpers im Fruchtwasser Ihrer Mutter und entwickelten schon erste erstaunliche Anlagen. Nach neun Monaten beschlossen Sie, dass es Zeit war für neue Abenteuer. Im besten Fall brachten Sie während der Geburt Ihr ganzes bisher erworbenes Bewegungsrepertoire zum Einsatz, beugten und streckten sich, verschraubten Ihren Körper, bis Sie das Licht der Welt erblickten.

Die ersten Schritte

Mit etwa ein bis eineinhalb Jahren war es so weit: Sie standen auf wackligen O-Beinen und mit starkem Hohlkreuz und Sie hielten sich meistens noch fest, um nicht nach hinten oder vorn zu kippen. Sie wagten Ihre ersten Schritte. Wenn Sie versuchten, einen Fuß anzuheben, waren Sie vor weitere erstaunliche Probleme gestellt. Sie mussten Ihren Körper nach vorn verlagern, um einen Schritt zu tun. Das barg die Gefahr, nach vorn zu stürzen. Der Schwerpunkt Ihres Körpers befand sich zu allem Überfluss in der Mitte zwischen beiden Füßen. Sie mussten demnach beim Anheben eines Fußes aus dem Gleichgewicht kommen, denn es stand kein Fuß direkt unter dem Schwerpunkt Ihres Körperlots. Was hatte sich die Natur nur dabei gedacht?

 

Je älter Sie wurden, desto höher wurde Ihr Fußgewölbe auf der Innenseite und nur die Außenseite Ihres Fußes hielt von der Ferse bis zur kleinen Zehe gut den Bodenkontakt. Ausgerechnet auf der Innenseite, die dem Lot des Körperschwerpunktes noch am nächsten ist, gibt es weniger Bodenkontakt und mit jedem Schritt, auch heute noch, droht Ihr Fuß nach innen zu kippen! Wie lösten Sie diese kniffligen Probleme?

Entwicklung des Gangs

Am Anfang balancierten Sie Ihren Körper schnell über den stehenden Fuß nach außen. Das führte dazu, dass Sie mit dem Oberkörper ins Wanken gerieten. Letztendlich haben Sie diese Schwierigkeiten jedoch gemeistert. Alle Ihre Erfahrungen, alles, was Sie über das Gehen gelernt haben, sind in Ihrem Körper und Ihrem Nervensystem gespeichert. Das Gehen scheint mittlerweile für Sie eine Selbstverständlichkeit zu sein. Nur wenn Sie Schmerzen verspüren und nicht gehen können, wird Ihnen bewusst, wie kompliziert das Gehen ist.

Schritt

Der Fuß hat im Laufe der Evolution einige erstaunliche Wandlungen durchgemacht. Er hat sich vom Greif- zum Stütz- und Fortbewegungsorgan entwickelt. 28 Knochen sind mit über 33 Gelenken verbunden, viele Bänder und Muskeln mit ihren starken Sehnen sorgen für Beweglichkeit und Halt. Ihr Fuß ist im Vergleich zu den Knochen Ihres Schädels sehr anpassungsfähig und elastisch – und doch im richtigen Moment stabil.

Dank einer Vielzahl von Nerven ist Ihr Fuß aber auch ein sehr sensibles Organ. Es können Druck, Dehnungszustand der Muskulatur, der Sehnen und Bänder gefühlt werden. Vor allem, wenn der Fuß nackt ist, kann er Unebenheiten erkennen, einen weichen von einem harten Untergrund, warm von kalt oder spitz von stumpf unterscheiden.

Der Fuß als Spiegel der Körperkoordination

Beim Gehen ist der Fuß Ihre einzige Verbindung zum Boden. Ihr Gehirn bekommt durch die Rezeptoren der Fußsohle, ähnlich wie beim Greifen Ihrer Hand, eine Rückmeldung. Ihre Hand vermittelt Ihnen Informationen über Gewicht und Beschaffenheit von Materialien. Die wichtigste Information, die Ihnen Ihre Füße zur Verfügung stellen, betrifft die Stabilität und Balance Ihres Auftretens. Ihre Füße können Ihnen sagen, welchen Eindruck oder Abdruck Sie auf dem Boden hinterlassen und wie kraftvoll Sie sich wieder von alten Standpunkten lösen können. Ihr Fuß kann für Ihr Gehirn während des Gehens wie ein Spiegel für die gesamte Körperkoordination sein. Auf dem Boden angelangt, wird deutlich, wie Ihr Höhenflug gelaufen ist. Waren Sie zielgerichtet und klar in Ihrem Bewegungsablauf? Oder passt die Koordination Ihrer verschiedenen Körperteile nicht so recht zusammen? Ihre Fußfühler werden es Ihrem Gehirn melden, wenn Ihr Fuß wackelt oder ungleichmäßig belastet ist. Der Grund für die Instabilität liegt dann in erster Linie nicht in Ihrem Fuß, sondern in der Art und Weise, wie das Körpergewicht, Ihr Körperschwerpunkt, über den Füßen bewegt wird. Ihr Fuß hat nur noch geringe Einflussmöglichkeiten.

Deshalb arbeiten wir in der Fuß-Schule München intensiv und ganz individuell mit Ihnen an Ihrem Gangbild. In unseren großen Räumen können Sie in Kursen oder in der Einzeltherapie mit unserer physiotherapeutischen Unterstützung Zusammenhänge verstehen, neue Bewegungsmuster ausprobieren und ein günstiges Gangbild einüben. Wir freuen uns auf Sie!

Ihr Thomas Rogall

Dieser Text ist ein Auszug aus meinem ersten Buch „Die Kunst des Gehens – Schritt für Schritt zu gesunden Füßen“, welches 2011 im Nymphenburger Verlag erschienen ist.